Entdecke die Filmstarts Kritik zu 'Wer schön sein will, muss reisen' von René Schöttler mit Tine Wittler. © privat (.) Wafa trifft pünktlich auf der Terrasse ein. Wir hören sie schon durch das Erdgeschoss der Auberge laufen, noch bevor sie zu uns nach draußen tritt. 'Klack, klack, klack', machen die Holzabsätze ihrer Sandalen zielstrebig, und dann steht sie da: Eine klitzekleine Frau in einer blauschwarzgemusterten Malhafa, die sorgfältig zurechtgemacht ist. Sie strahlt über das ganze runde Gesichtchen, zeigt dabei weißblitzende Zähne und streckt mir einen Strauß eingefärbter Zierzweige entgegen. 'Gibt es keine Blumen in Nouakchott', singsangt sie mit einer glockenhellen Stimme, 'aber habe ich das hier gefunden. Willkommen in Mauretania!' Ich verliebe mich sofort unsterblich. Bauch, Kopf und Herz sind sich augenblicklich einig: Das ist sie. Wafa ist der Kracher. Es ist schier unglaublich, der Himmel muss sie geschickt haben. Postpartum übersetzung. Nicht nur die ganz profanen Eckdaten stimmen: Sie ist achtunddreißig Jahre alt, also genau in meinem Alter; besser geht es nicht. Ihre Eltern stammen aus Palästina, aber Wafa ist in Nouakchott geboren und aufgewachsen. Mit ihrem ersten Ehemann, der in Deutschland studierte, hat sie mehrere Jahre im Ruhrgebiet gelebt, bevor sie 1999 ohne ihn nach Nouakchott zurückkehrte und sich im April 2001 scheiden ließ. In gefährlicher nähe. Sie weiß also genau, worum es geht, wenn wir auf die Unterschiede zwischen Mauretanien und Deutschland zu sprechen kommen. Wafa ist intelligent, denn sie begreift unser Vorhaben nicht nur sehr schnell, sondern wartet auch gleich mit konkreten Vorschlägen auf, wo ich nach Antworten auf meine Fragen suchen und wo uns Probleme erwarten könnten. Derzeit hat sie keine feste Arbeit, ergo viel Zeit für uns. Sie hat kein Problem damit, auch vor unserer Kamera zu agieren. Was wir ihr für ihre Arbeit mit uns zahlen können, damit ist sie einverstanden. Und auch mit ihrer Familie werde es keine Probleme geben, versichert sie uns – ihre Eltern seien gestorben, und ihre beiden Brüder würden ihr da nicht reinreden. Aber das ist eigentlich alles nebensächlich. Binnen Minuten quatschen wir miteinander, als würden wir uns Ewigkeiten kennen. Hier und da gibt es kleine Zwangspausen, weil Wafa nach Worten sucht, aber ihr Deutsch ist nichtsdestotrotz phantastisch. Sie lacht gern und viel, und binnen kurzer Zeit kichern wir gemeinsam wie alte Busenfreundinnen. ![]() Mein Gott, was für ein Glücksgriff! René holt irgendwann einfach die raus und hält drauf; Wafa und ich lassen uns dabei gar nicht stören. Wir quasseln weiter. Lena fauch: gefährliches schweigen. Doch dann verlässt die Fröhlichkeit unser Gespräch: in jenem Moment, als Wafa uns erzählt, dass sie leider keine Kinder habe. Und das – wir ahnen es aufgrund der Intensität, die sich breitmacht, als sie uns davon erzählt – ist das Schlimmste, was einer mauretanischen Frau widerfahren kann, denn eine mauretanische Frau ohne Kinder ist ein gesellschaftliches Nichts. Tine Wittler: Wer schön sein will, muss reisen Erschienen im Scherz Verlag. Das Buch kostet 19,99 Euro, zu beziehen zum Beispiel über. Dreimal war Wafa bislang verheiratet. Ihre erste Ehe scheiterte aufgrund ihrer Kinderlosigkeit. Ihr zweiter Mann war 'ein Fehler', sagt sie. Die dritte Ehe hielt gerade mal zwei Monate, dann war ihr Mann über alle Berge. Und eine solche Ehe, sagt Wafa, wolle sie nie wieder. Wer Schön Sein Will Muss Reisen Ganzer FilmAuch wenn diese häufig seien in Mauretanien: Dadurch, dass man sich ohne Hochzeit nicht näherkommen könne, würden viele Ehen in Rekordzeit geschlossen und auch wieder gelöst. Dass Wafa von den Männern in ihrem Leben schwer enttäuscht worden sein muss, werde ich in unseren zukünftigen Gesprächen immer wieder heraushören können. Es mag furchtbar theatralisch klingen, aber schon nach wenigen Minuten empfinde ich große Liebe und Zuneigung für diese kleine, tapfere Frau. So etwas passiert einem nur selten im Leben. Wittler Wer Schön Sein Will Muss ReisenIch lenke das Gespräch auf unser Thema. 'Die Frauen hier', erklärt Wafa, 'wollen nicht aussehen wie Kinder. Dann haben sie keine Chance zu heiraten. Sie sind keine Kinder! ![]() Wer Schön Sein Will Muss Reisen StreamSie sind Frauen, und das wollen sie auch zeigen.' Ich frage sie, ob sie sich als eher zierliches Persönchen manchmal wünschte, dicker zu sein. Wafa verneint das, denn dick zu sein sei unpraktisch. Schlanker zu sein hingegen habe ganz praktische Vorteile: Sie könne sich besser bewegen, einer Arbeit nachgehen und deshalb auch unabhängiger sein als eine dicke Frau. Das gehe vielen Frauen hier in der Stadt so, auch wenn sie das Dicke eigentlich weiterhin 'normaler' fänden als das Schlanke. 'Ist es vielleicht so', überlege ich laut, 'dass es früher für die Frauen so eine Art Versicherung war, dick zu sein, weil sie dann gut verheiratet und versorgt werden konnten? Und heute ist es für die Frauen in der Stadt eher eine Art Versicherung, schlanker zu sein, weil sie sich dann selbst versorgen und arbeiten gehen können?
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April 2019
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